Narkoserisiko bei herzkranken Hunden: CT vs. Operation
Hintergrund: Mitralklappeninsuffizienz und Narkoserisiko
Ein 11-jähriger Hund mit Mitralklappeninsuffizienz (MVI) stellt bei Narkosen eine besondere Herausforderung dar. Herzkranke Patienten haben generell ein höheres Anästhesierisiko als herzgesunde Tiere . Insbesondere ältere Hunde mit Herzerkrankung (z.B. Mitralklappeninsuffizienz) werden vom Anästhesiologen als ASA-Kategorie III–IV (erhöhtes Risiko) eingestuft, im Gegensatz zu ASA I–II bei gesunden Tieren. Studien zeigen, dass bei gesunden Hunden die Mortalität unter Narkose nur etwa 0,1–0,2 % beträgt, während sie bei vorerkrankten Hunden (ASA III–V) auf 0,5–2 % ansteigt . Ein aktuelles VetCompass-Datenprojekt aus Großbritannien ergab ähnlich eine sehr niedrige Gesamtmortalität von ~0,14 % (14 von 10.000) im Zusammenhang mit Sedation/Allgemeinanästhesie, wobei ältere Hunde, vorerkrankte Tiere (schlechter Allgemeinzustand, z.B. Herzproblem) und Notfalleingriffe als klar erhöhte Risikofaktoren identifiziert wurden  . Das heißt, ein Senior mit Mitralklappenerkrankung und anstehender Not-OP gehört in die Hochrisikogruppe.
Trotzdem kann auch ein Hund mit Mitralklappeninsuffizienz sicher anästhesiert werden, wenn mit größter Sorgfalt vorgegangen wird . Wichtig ist, die Herzmedikation (z.B. Pimobendan/Vetmedin) weiterzuführen und eine gründliche präanästhetische Untersuchung (inkl. EKG, ggf. Herzultraschall und Blutwerte) durchzuführen  . Während der Narkose sind engmaschiges Monitoring (EKG, Blutdruck, Sauerstoff) und ein angepasstes Protokoll essenziell  . Häufige Narkose-Komplikationen bei MVI-Hunden sind Hypotonie (niedriger Blutdruck) und Tachykardie, die in einer Studie bei 45 % bzw. 36 % der Fälle auftraten . Diese Kreislaufentgleisungen müssen unbedingt vermieden werden, da ein bereits vorgeschädigtes Herz unter Narkose schnell dekompensieren und sogar in akutes Herzversagen (Lungenödem) geraten kann . Mit einer maßgeschneiderten Anästhesie (z.B. moderater Einsatz von Sedativa, Vermeidung von stark herzbelastenden Medikamenten wie α2-Agonisten, vorsichtige Dosierung von Anästhetika wie Etomidat oder niedrig dosiertem Propofol) und intensiver Überwachung können jedoch auch herzkranke, ältere Hunde meist ohne Komplikationen narkotisiert werden .
Narkose für CT (Inhalationsnarkose zu Diagnostik) vs. OP-Narkose (Bauchchirurgie)
Im vorliegenden Fall stehen zwei Narkosen an: eine kurze Inhalationsnarkose für eine CT-Untersuchung und eine längere Operationsnarkose für eine Bauch-OP (vermutlich Milzentfernung). Die Risiken unterscheiden sich, hauptsächlich bedingt durch Dauer und Invasivität des Eingriffs:
Aspekt CT-Narkose (diagnostisch) OP-Narkose (Bauch-OP, z.B. Splenektomie)
Eingriff & Dauer Nicht-invasiv (Bildgebung); kurze Narkosedauer (meist 10–30 Minuten).Keine chirurgischen Wunden. Invasiver chirurgischer Eingriff; längere Narkosedauer (oft 1–2 Stunden).Eröffnung der Bauchhöhle, Gewebetrauma.
Narkosetiefe & Medikamente Oft leichtere Anästhesietiefe ausreichend, da keine Schmerzreize durch OP.Meist Kurznarkose mit Inhalationsanästhetikum oder Sedation + Kurznarkose. Schmerzmittel in geringerer Dosis (nur zur Prävention minimaler Prozedurschmerz, z.B. Kontrastmittelgabe). Tiefere Anästhesie erforderlich, da starke Schmerzreize (Schnitt, Manipulation) auftreten.Benötigt Analgesie (Opioide etc.) in höherer Dosis. Stabil tiefe Narkose während der gesamten OP nötig – höhere Belastung für Kreislauf.
Physiologische Belastung Geringerer Stress für den Organismus: kein Blutverlust, kaum Entzündungsreaktion.Hauptbelastung durch Anästhesie selbst (Atemdepression, Blutdrucksenkung). Deutlich höhere Belastung: Blutverlust möglich (Splenektomie kann erhebliche Blutungen bedeuten), Flüssigkeitsshifts, Unterkühlungsgefahr, postoperative Schmerzreaktionen.OP kann bei Milztumoren auch Herzrhythmusstörungen auslösen (bekannt bei Splenektomien).
Komplikationsrisiken Anästhesiebedingte Risiken stehen im Vordergrund (Kreislaufdepression, Arrhythmien).Durch die kürzere Dauer aber weniger Gelegenheit für Zwischenfälle – kürzere Exposition gegenüber Narkosemitteln reduziert Risiko . Infektionsrisiko entfällt (kein chirurgischer Wundbereich). Kombinierte Risiken: Anästhesie und Operation. Längere Narkose erhöht die Wahrscheinlichkeit von Zwischenfällen signifikant  (z.B. anhaltende Hypotonie).Zusätzlich Operationskomplikationen: z.B. Nachblutungen, Entzündung/Infektion der Wunde, bei Milztumoren oft ventrikuläre Extrasystolen durch Manipulation.Postoperativ höhere Belastung (Schmerzmanagement erforderlich, Überwachungsbedarf).
Sterblichkeitsrisiko Absolut gering (bei optimaler Überwachung). Schwere Komplikationen unter Diagnostik-Kurznarkosen sind selten. Bei stabilem Herzpatienten im elektiven Setting vermutlich deutlich <1 % (eher im Bereich von einigen Zehntel-Prozent). Erhöht im Vergleich zur CT-Narkose. Für ASA III/IV-Patienten werden perioperative Mortalitätsraten um 0,5–2 % berichtet . Insbesondere wenn es sich um einen dringlichen/Eil-Eingriff handelt, steigt das Risiko weiter .
Fazit des Vergleichs: Eine CT-Narkose ist in der Regel risikoärmer als eine längere OP-Narkose, insbesondere bei Herzpatienten, weil die Belastungsdauer kürzer und der Eingriff weniger traumatisch ist. Es fallen z.B. weg: große Blutdruckschwankungen durch Schmerz, Blutverlust oder lange Narkosezeiten. Dennoch ist auch eine CT-Untersuchung keine Null-Risiko-Prozedur – sie erfordert in aller Regel eine Allgemeinanästhesie (oft mit Inhalationsgas), da der Hund absolut ruhig liegen muss. Selbst eine Sedierung gilt als potenziell belastend für Herz/Kreislauf und erfordert ähnlich sorgfältige Überwachung (Intubation, i.v. Zugang etc.) . Aus diesem Grund muss die Narkose für das CT ebenso gewissenhaft vorbereitet werden (Herzmedikamente weitergeben, Monitoring, schonende Medikamentenwahl). Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass bei der CT-Narkose keine chirurgische Stressantwort hinzu kommt. Dies führt insgesamt zu einem geringeren physiologischen „Peak“ – der Herzpatient wird zwar durch Narkosemittel gefordert, aber nicht zusätzlich durch Operationstrauma.
Abstand zwischen CT-Narkose und OP-Narkose – Empfehlungen
Wenn sowohl ein CT (für Diagnostik/Planung) als auch kurz darauf eine Operation notwendig sind, stellt sich die Frage nach einem sinnvollen zeitlichen Abstand zwischen den Narkosen. Klare Leitlinien speziell für Haustiere gibt es hierzu nicht, aber es gelten folgende Überlegungen und Empfehlungen aus der Literatur und Praxis:
• Erholung des Organismus: Nach einer Allgemeinanästhesie benötigt der Körper Zeit, um sich zu normalisieren. Eine experimentelle Untersuchung mit Hunden ergab, dass bestimmte Kreislauf- und Stoffwechselparameter bis zu 7 Tage nach der Narkose brauchten, um sich vollständig zu erholen . Spätestens nach einer Woche waren alle Werte wieder im Ausgangsbereich. Dies spricht dafür, möglichst etwa 1 Woche Abstand zwischen zwei größeren Narkosen zu lassen, sofern der klinische Zustand es zulässt, damit Herz-Kreislauf und andere Organsysteme zur Ruhe kommen.
• Minimierung der Gesamtdauer pro Narkose: Gerade bei herzkranken Tieren gilt: „Je länger eine Narkose dauert, desto höher ist das Risiko von Zwischenfällen, vor allem bei vorerkrankten Hunden.“ . Daher ist es sinnvoll, Eingriffe zeitlich zu trennen, anstatt z.B. eine sehr lange Kombinationsnarkose durchzuführen. Im konkreten Fall könnte man zwar theoretisch CT und OP in einer Narkosesitzung kombinieren, aber das würde die Narkosedauer deutlich verlängern. Bei einem MVI-Patienten ist es oft sicherer, zwei kürzere Narkosen an verschiedenen Tagen durchzuführen, als eine extrem lange.
• Empfehlung aus der Praxis: Viele Anästhesisten empfehlen, mindestens einige Tage Abstand zu halten. Bei planbaren Eingriffen in Tierkliniken wird häufig ein Abstand von 3–7 Tagen gewählt, um die Volle Erholung von der ersten Narkose zu gewährleisten (Ausscheidung der Medikamente, Normalisierung von Kreislaufwerten, keine Sedierungsnachwirkungen mehr). In dieser Zeit kann sich auch das Herz-Kreislauf-System stabilisieren und eventuelle leichte Beeinträchtigungen (z.B. Blutdruckschwankungen, Flüssigkeitsverschiebungen) der ersten Narkose klingen ab.
• Dringlichkeit vs. Sicherheit: Ist die Bauch-OP sehr dringend (etwa bei einem blutenden Milztumor), muss unter Umständen schon kurzfristig (24–48 Stunden) nach der CT operiert werden. In solchen Fällen sollte der Hund bis zur OP intensiv überwacht und stabilisiert werden. Jede verbleibende Sedierung aus der CT-Narkose muss abgeklungen sein. Notfalls kann – wenn diagnostisch vertretbar – überlegt werden, auf das CT zu verzichten oder ein alternatives Verfahren zu wählen, um die Doppelbelastung zu vermeiden. Die Priorität liegt dann auf der lebensrettenden OP.
Zusammengefasst: Idealerweise sollten zwischen der CT-Narkose und der OP-Narkose mehrere Tage bis zu einer Woche liegen, um dem älteren Herzpatienten ausreichend Erholungszeit zu geben. In der aktuellen tiermedizinischen Literatur werden keine festen Zeitspannen vorgegeben, doch die Faustregel lautet, so viel Pause wie möglich, ohne die Therapie unnötig zu verzögern. Eine Studie mit wiederholten Narkosen im Tierversuch schlussfolgert, dass 14 Tage Abstand sicher keinerlei zusätzliche Belastung mehr bringen gegenüber längeren Intervallen   – in der klinischen Praxis sind jedoch oft kürzere Intervalle notwendig, die mit sorgfältigem Monitoring aber ebenfalls vertretbar sind. Wichtig ist, dass beim zweiten Eingriff der Hund wieder in bestmöglichem Zustand ist (Herzmedikation optimiert, ausreichende Erholung, normale Organwerte). Dann lässt sich auch die zweite Narkose mit Mitralklappeninsuffizienz unter strengem Monitoring in der Regel ohne gravierende Komplikationen durchführen .
Quellen und Literatur
• Steinbacher R., Dörfelt R. Anästhesie bei Hunden und Katzen mit Herzerkrankung – ein unmögliches Unterfangen oder eine Herausforderung mit überschaubarem Risiko? Wien. Tierärztl. Monatsschrift 99, 2012.
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• Johnen D. Schlafende Hunde: Narkosen beim Hund (Easy-Dogs Magazin), 2023 .
• AniCura Klinikseite: Narkose beim Hund – Was muss man wissen?, AniCura Deutschland .
• Veterinary Practice News, 2020: Should you combine procedures? – Abwägung Kombinations-Eingriffe vs. getrennte Narkosen.